VR4Sit – Extrem-Training in der virtuellen Realität

Soldatinnen und Soldaten im Einsatz erleben extreme Stress- und Gefahren-Situationen. Doch wie kann man solche Situationen trainieren, ohne sich tatsächlich in Gefahr zu bringen? Und wie können in einem solchen Training valide Daten gesammelt werden, die zeigen, wie gut die Einsatzkräfte ihren Stress kontrollieren können? Eine Antwort auf diese Frage liefert das Gefechtssimulations-System „VR4Sit“, das der ehemalige Fallschirmjäger Paul Kaden gemeinsam mit dem „Cyber Innovation Hub der Bundeswehr“ (CIHBw) entwickelt hat.

Kernstück des Systems ist eine VR-Brille, mit der Soldat:innen in verschiedene Gefechtssimulationen versetzt werden. Sie durchlaufen einen Trainingsparcours, sehen Hindernisse, feindliche Kräfte, Häuser oder Fahrzeuge. Feindlicher Beschuss kann simuliert werden, oder Verletzte am Boden. „Was immer trainiert werden soll – das System kann es darstellen“, sagt Kaden.

Zu seinem System gehören auch Biofeedback-Sensoren, die den Stresslevel aufzeichnen. Mit diesen Daten können die Ausbilder:innen bereits während des Stresstrainings Rückschlüsse auf den Einsatz und die Effektivität der Stresskontrolltechniken der Soldat:innen ziehen. Ein Quantensprung – verglichen mit den bisherigen Methoden.

Der Projektname VR4Sit leitet sich ab aus „Virtual Reality“ (VR) und „Stress-Inoculation-Training“ (SIT), einem zentralen Bestandteil der Ausbildung nicht nur bei Spezialkräften. „Stress-Inoculation-Training bietet eine Möglichkeit, hochbelastete Personengruppen bestmöglich auf Hochstressphasen vorzubereiten“, sagt Einsatz- und Truppenpsychologe Dr. Gorzka. Es gehe darum, „Wissen, Techniken und Methoden zum adaptiven Umgang mit Stress unter besonderer Berücksichtigung der Selbstreflexion zu vermitteln und zu trainieren“, sagt der Psychologe. Denn „nur durch das Erkennen von Defiziten kann das Stressmanagement nachhaltig verbessert und angepasst werden“.

Paul Kaden kennt den Stress im Einsatz. Er ist ehemaliger Fallschirmjäger, hatte drei Einsätze in Afghanistan, danach hat er lange Jahre Soldaten und Spezialkräfte ausgebildet. Immer nach Lehrbuch, und immer mit diesem einen Satz in Hinterkopf: „Das würde man in der Realität nie so machen.“

 „Wenn zum Beispiel jemand in einer Gefechtssimulation eine Nebelgranate wirft, musst du aus Gründen des Gesundheitsschutzes das Gefecht einstellen, deine Schutzmaske rausholen und aufsetzen. Erst dann darfst du weiterkämpfen“, sagt Fallschirmjäger Kaden. „Das macht so niemand in einem echten Gefecht.“ Schließlich kam er auf die Idee zu VR4Sit.

Der 36-Jährige fing an zu tüfteln. Gemeinsam mit den Innovationsmanagern des Cyber Innovation Hub verfeinerte Paul Kaden seine Idee.  Herausgekommen ist ein Gesamtsystem, das in der Lage ist, Stresslevel der Nutzer:innen mobil, kabellos und ohne jegliche Kameras innerhalb eines frei wählbaren  Szenarios zu messen. Das System ist außerdem schnell zu verschiedenen Standorten verlegbar und in kürzester Zeit einsatzbereit.

VR4Sit ist nicht nur bei Spezialkräften der Bundeswehr auf großes Interesse gestoßen, das System wurde auch darüber hinaus für Paul Kaden und sein Startup „Ramrod XR“ zu einem echten Erfolgsmodell. Inzwischen habe er sein Produkt „maximal weiterentwickelt“, sagt der 36-jährige Gründer. Er hat ein Baukasten-System entworfen, kann damit noch komplexere Szenarien simulieren, Einsatzkräfte noch besser ausbilden.

„Ohne den Cyber Innovation Hub wäre VR4Sit nicht da, wo es jetzt ist“, sagt Kaden. Er hatte inzwischen Kontakte zu verschiedenen Innovationseinheiten, zu Innovation Hubs anderer Länder, Ministerien oder Behörden. „Keiner von denen hat das Tempo des Cyber Innovation Hub der Bundeswehr“, sagt Kaden. „Der Hub hat einfach das richtige Mindset für solche Projekte.“

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